Mittwoch, 01. Jänner 1000


Für Otto Tausig

 

Otto Tausig, meine Damen und Herren, ist dreimal von seiner Heimat brüskiert und gedemütigt worden:
als „Kummerl“, weil er zu seiner gesellschaftspolitischen Überzeugung stand, als „Jud´“, aufgrund seiner Herkunft, und als „Kasperl“, weil er seinen Beruf als Komödiant dafür verwendet hat, dem bösen Krokodil der Ignoranz gegenüber dem Elend unserer Welt kompromisslos entgegenzutreten.
Und auch das hat am Anfang bei Vielen nur Kopfschütteln ausgelöst!
Wie Otto selbst das anlässlich der Präsentation seiner Autobiografie im Burgtheater 2006 ausdrückt:
"So unentbehrlich es für mich war, auf einer Bühne zu stehen, so bedeuteten mir diese Bretter – sogar die Bretter des Burgtheaters – doch nie die ganze Welt. Jetzt genügte es mir nicht mehr, die Probleme der Welt ins Theater hineinzutragen, ich versuchte auch draußen, diesen Problemen mit den Mitteln des Theaters beizukommen.“
Du warst zum ersten Mal 1989 bei Dreharbeiten in Indien mit der Armut und dem Elend der Kinder konfrontiert. Und das hat dein Leben verändert!
Wenig später, zurück in Wien hast du mit dem Entwicklungshilfeklub Kontakt aufgenommen, und ab 1993 hat deine Spendentätigkeit im Theater begonnen, im Volkstheater, und zwar nach einer Vorstellung, wo du in Gert Jonkes „Opus 111. Ein Klavierstück“ den Konservatoriumsdirektor gespielt und am Ende der Vorstellung gesammelt hast, „... für Kinder, die das Pech hatten, in einem Land der Dritten Welt geboren worden zu sein.“
Als du damals die Idee hattest, einen kompletten Theaterbetrieb samt Publikum des jeweiligen Abends zu Spendenaktionen für Kinder der dritten Welt zu motivieren, war ich selbst ein typischer Vertreter der klassischen, undurchdachten Charity-Haltung, wie wir sie leider immer noch vorfinden:
Ja, natürlich – wo Erlagscheine eintrudeln, wird sich ein überzeugter Humanist immer wieder als spendenfreudig erweisen, selbstverständlich! Unterschriftenlisten sind ganz schnell ausgefüllt, und wir geben alle, hin- und wieder, was wir können. Und wollen!
Genau dieser traditionellen Haltung hat Otto Tausig einen wahren „Feldzug“ entgegengesetzt, der an Kreativität, Konsequenz und persönlicher Aufopferung seinesgleichen sucht.
Das Ergebnis – ein echter, dauerhafter Paradigmenwechsel in Sachen „Betroffenheit“.
Nicht, indem er einen Großvertrieb für anonyme Erlagscheine organisiert hätte.
Nein, indem er von traurigen Wirklichkeiten persönlich erzählte und berichtete.
Nicht, indem er sich mit dem Wiederkäuen von Standardinformationen begnügte.
Nein, indem er sein ungeheures Talent dafür entfaltete, dieses Elend vor unser aller Augen auch wirklich sichtbar, spürbar und nachvollziehbar zu machen.
Und schließlich nicht, indem er unserem schlechten Gewissen die Gelegenheit bot, sich möglichst schnell distanziert „abzuputzen“ und durch´s Foyer zu entschwinden, … nein, indem er so offenherzig und humorvoll auf die Menschen zugegangen ist, dass keiner der Faszination seiner Überzeugungskraft jemals entkommen konnte.
Otto Tausig hat die vielgeschmähte Wiener Lebensart des „Schnorrens“ zu einer international wirkenden Königsdisziplin erhoben – und dieses große Kunststück soll ihm erst einmal einer nachmachen..
Vergessen wir dabei nicht den unglaublichen kulturellen „Mehrwert“, den sein Wirken für die österreichische Theaterlandschaft selbst bedeutet hat und auch nach seinem Abschied für immer bedeuten wird: Otto Tausig war ein echter kulturpolitischer Volkstribun, denn er hat durch die ENTWICKLUNGSHILFE DER KÜNSTLER eine ganze Branche rund um seine großen und doch so bodenständig inszenierten Ziele und Ideale zusammengeführt.
Um den „Kummerl“ zu bemühen - er hat viele von uns nachhaltig „solidarisiert“: Künstler, Billeteure, die Damen und Herren vom Buffet und von der Maske nicht weniger als die Dramaturgen, Regisseure, Direktoren und natürlich das Publikum.
Uns alle hat er unaufhörlich zu einem Gemeinschaftsgeist hin erzogen, der sich schwer in „Auslastungszahlen“ ausdrücken lässt ... In nachhaltigem Respekt umso mehr!
Bis zuletzt – und trotz seiner enormen gesundheitlichen Probleme - hat sich Otto Tausig darum gekümmert, dass seine Arbeit auch nach seinem Tod sinnvoll weitergeht. Ich glaube, er hat mit großer Genugtuung bemerkt, daß er in Werner Brix einen jungen Kollegen gefunden hat, der sein Vermächtnis tatkräftig weiterführt!
Wenn Johann Nestroy meint, dass uns gelegentlich „die Natur zeigt´, dass das miserabelste Leben mehr wert ist als der brillanteste Tod!“, so möchte ich im Fall dieses einzigartigen Menschen unbedingt ergänzend anmerken: Der Tod ist so und so immer miserabel ...
Aber dein Leben war ein Brillant, der in jedem von uns für immer weiterglitzern wird.
(die Tasche zeigend)
Ja lach´ nur! Das ist sie! Das, lieber Otto, ist die Original Tasche, mit der du bei deiner letzten Theatervorstellung im Volksheater 1999 als Winkeladvokat Schnoferl das Publikum im Foyer des Theaters um Spenden gebeten hast!

„Offen gestanden, dem Darsteller des Schnoferl ist es selber sehr peinlich, Sie, nach einer hoffentlich unterhaltsamen Vorstellung, so zu belästigen. Aber zu seiner Entschuldigung möchte ich sagen: ich alte Tasche bin nur scheinbar leer, denn es ist schon seine gesamte Abendgage drin. Dieser Schnoferl spielt gratis .... aber keineswegs umsonst, wenn mit Ihrem und seinem Geld Menschen das Überleben ermöglicht wird.“

Das war 1999! Und 2011 arbeiten noch immer sehr, sehr viele Kinder in Schuldknechtschaft in den Steinbrüchen Rajasthans! Vergessen wir diese Kinder nicht!
Ich werde jetzt diese Tasche, ein Symbol deiner aufopfernden Spendentätigkeit, lieber Otto, hier beim Kondolenzbuch plazieren, erinnere daran, daß du den berühmten Brecht-Satz: „Sorgt, daß ihr die Welt verlassend, nicht nur gut ward, sondern verlasst eine gute Welt.“ .... ergänzt hast mit den Worten:
„Das ist vielleicht ein bissl viel verlangt, aber ein bißchen besser könnte sie durch ihre Spende schon werden!“
„Kasperl, Kummerl, Jud“ - schreibst du im Vorwort deines gleichnamigen Buches - waren deine drei Leben als Komödiant, Kommunist und Jude.
Es gibt noch ein viertes Leben: und das ist dein Weiterleben in uns allen, in unseren Erinnerungen an eine einzigartige, vorbildhafte, menschliche Existenz!
Ich danke dir!

Erwin Steinhauer


Konto-Nummer des ENTWICKLUNGSHILFECLUBS:
Erste Bank 31005405150, BLZ 20111

 

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